Der Disney-Klassiker "Bambi", der seit 1942 Generationen von Zuschauern bewegt, hat eine ungewöhnliche Neuinterpretation erfahren. Michel Fesslers Film nähert sich Felix Saltens Originalroman auf eine Weise, die sich deutlich von der Zeichentrickversion unterscheidet.
Saltens Buch "Bambi. Eine Lebensgeschichte aus dem Walde", erschienen 1923, wurde 1936 von den Nazis verboten. Es ist eine Geschichte über Freundschaft, den Wald und den Kreislauf des Lebens, die jedoch durch Disneys Interpretation vor allem für den Tod von Bambis Mutter bekannt wurde.
Eine tränentrockene Neuinterpretation
Fesslers Neuverfilmung verzichtet auf die dramatisierenden Elemente des Disney-Films. Der Tod der Hirschkuh wird nur angedeutet, und Menschen sind im gesamten Film nicht zu sehen. Die Taschentücher können also getrost in der Schublade bleiben.
Fessler, der bereits mit "Die Reise der Pinguine" als Naturfilmer auf sich aufmerksam machte, möchte mit "Bambi" vor allem die Schönheit des Waldes und das natürliche Verhalten der Tiere in den Vordergrund stellen.
Zurück zur Natur, weg von der Vermenschlichung?
Der Film vermeidet Diskussionen über woke oder farbenblinde Besetzungen, konzentriert sich aber stattdessen auf die authentische Darstellung der Tierwelt. So ist Bambi tatsächlich ein Hirsch, was wohl auch daran liegt, dass Rehe sich nur schwer dressieren lassen.
Kritik und Kontroversen
Obwohl Fesslers "Bambi" ohne offensichtlichen Kitsch auskommt, gab es dennoch Kritik. Naturschützer bemängelten, dass für die Dreharbeiten ein eigenes Trainingscamp für die Tiere eingerichtet wurde.
Trotzdem bleibt der Film eine sanfte und idyllische Darstellung des Waldes und seiner Bewohner, die allerdings wenig mit der Realität deutscher Wälder zu tun hat.
Die literarische Vorlage und ihre Interpretation
Die Texte aus dem Off, gesprochen von Senta Berger, erinnern eher an Bernhard Grzimek als an Felix Salten. Salten selbst, ein Wiener Kaffeehausliterat und Jäger, verteidigte die Vermenschlichung von Tieren mit dem Argument, dass man so verhindere, dass Menschen sich "vertieren".
Verhaltensforscher werden sich an der Darstellung der Tiere in Fesslers Film wohl stören. Die lebenslange Liebe von Bambi zu seiner Cousine Faline oder die gottgleiche Rolle des Königs des Waldes entsprechen kaum wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Ein Märchenhafter Wald
Wer eine originalgetreue Adaption von Saltens Roman erwartet, wird enttäuscht sein. Die vielschichtigen Themen des Buches, wie der Erste Weltkrieg, Antisemitismus oder die sexuelle Aufgeladenheit des Textes, fehlen in Fesslers Film.
Dennoch fängt der Film die Schönheit des Waldes auf beeindruckende Weise ein. Die Aufnahmen von Patrick Wack zeigen eine farbenfrohe und lichtdurchflutete Welt, die zum Träumen einlädt. Vielleicht ist ja im Wald von Orlܨans noch nicht alles zu spät.
Abschließend sei gesagt: Wer nach dem Film in den Wald geht, sollte sich nicht von den Bildern täuschen lassen. Die Realität sieht oft anders aus. Hirsche sind in deutschen Mittelgebirgen selten, Rehe scheu, und der Waschbär ist des Kaninchens Feind. Und in der Nacht ist es zwischen Tanne und Eiche selten friedlich und still.
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